In letzter Zeit muss ich viel über Pippi Langstrumpf nachdenken. Zu dem stärksten Mädchen der Welt habe ich eine besondere Beziehung. Ich bin nämlich nach Ihrer Erschafferin benannt. Meiner Mama haben die Bücher von Astrid Lindgren so gut gefallen, dass Sie mir ihren Vornamen gegeben hat. 

Mir hatten es ihre Geschichten auch schon immer angetan – sei es der Michel von Lönneberga, Madita oder Ronja Räubertochter. Aber Pippi ist für mich immer ganz besonders herausgestochen. Ich habe alle Bücher gelesen und wenn die Pippi-Filme im Fernsehen liefen, dann hat meine Mutter eine Ausnahme gemacht und ich durfte auch bei gutem Wetter schauen, was sonst nicht erlaubt war.  

Pippi war cool! Dabei war sie nicht gefühlskalt, was ja cool eigentlich bedeutet, sondern hat vor Lebensfreude gesprüht. Sie war lustig und fröhlich und hat das Leben in vollen Zügen genossen. Sie hat sich um Schwächere gekümmert und großherzig geteilt. Mit ihren Freunden, dem Geschwisterpaar Tommy und der ängstlichen Annika hat sie viele wilde Abenteuer erlebt. Und stark war sie! Die Stärke hat sie für andere eingesetzt. Ihr Motto war „Ich mach die Welt, wie sie mir gefällt!“

Klar, dass das einigen Ordnungshütern nun gar nicht gefallen hat. Denen war das starke, unabhängige Mädchen ganz schön suspekt.  

Deshalb wollten sie auch, dass sie nicht alleine lebt und wollten sie in ein Kinderheim stecken.  

So ist das mit den starken Frauen – die sprengen den Status Quo und die möchte so mancher gerne lieber in eine vertraute Box stecken, als ihnen ihren Freiraum zuzugestehen. 

Was hat das jetzt mit Ihnen oder mir zu tun?

Nun, ich wurde kürzlich darum gebeten, für eine Nachhaltigkeitsbroschüre zum Thema Entwicklungsziele einen Beitrag zu schreiben. Ich war erst überrascht und wusste auch gar nicht, was das denn jetzt mit dem Thema von Madame Boss zu tun hat. Bis ich mich dann mit den UN-Entwicklungszielen beschäftigt habe-und eins davon, die Nr. 5, ist die Gleichstellung von Mann und Frau und explizit, die Teilhabe von Frauen an Führungspositionen.  

Das ist ja spannend! Sogar die UN hat sich das auf die Fahnen geschrieben…

Beim weiteren Lesen wurde mir dann klar, dass das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele ohne Frauen auch gar nicht möglich sein wird. 

Wir wissen, dass wir ressourcentechnisch über unsere Verhältnisse leben. Wir wissen, dass durch den Klimawandel dramatische Veränderungen auf uns zukommen werden – allein dieser Sommer hat uns ja gezeigt, wo die Reise hingehen wird. Menschen an den Küsten werden ihren Lebensraum verlieren, es wird in manchen Teilen ungewohnte Wasserknappheit geben.  Wir haben ein Bienen-und Insektensterben in Deutschland, in bisher nicht dagewesenem Ausmaß. 

Wie sind wir hier gelandet? Nun – die Frage ist sehr komplex, ich wage jedoch eine abstrakte und gleichzeitig einfache Antwort: Wir haben in der Vergangenheit dem Gott der Machbarkeit gehuldigt und dabei vergessen, zu beachten, welche Auswirkungen unser Tun, insbesondere auf die Gemeinschaft, hat. 

Das Motto war „Schneller, Höher, Weiter“ und sehr wettbewerbsorientiert. Wie ich an dieser Stelle schon öfter geschrieben hatte, sind das typische Prinzipien des vertikalen Systems. Das Streben nach dem höchsten Rang und die Ausbreitung des eigenen Reviers stehen hier im Vordergrund. 

Was wir aus den Augen verloren haben, sind der Sinn für die Gemeinschaft, für das größere Ganze. Der Blick, nicht nur zielorientiert und stur nach vorn gerichtet – „Wie komme ich am schnellsten da vorne an?“, sondern der Blick in die Gruppe – „Haben wir noch alle dabei und wie geht es denen damit?“ und vor allem auch der Blick auf nachfolgende Generationen. 

Meiner Erfahrung nach haben Frauen oft die umfassendere Sicht auf die Dinge. Frauen halten eher mal inne und hinterfragen, wie sich eine Entscheidung auch langfristig auswirken wird und ob sie nachhaltig ist. Natürlich gibt es auch Männer, die diese Fähigkeit haben und wir benötigen auch die Zielgerichtetheit, die das vertikale System hervorragend beherrscht. Aber alles eben in richtigem Maß. 

Genau deshalb brauchen wir endlich eine adäquate Anzahl von Frauen in Entscheidungspositionen. Es geht nicht um die Rettung der Welt-die Welt wird nämlich am Ende überleben. Nein - die Frage wird sein, ob es die Menschheit tut.

Ich glaube, wir sind an einem aufregenden und entscheidenden Punkt in der Weltgeschichte angekommen – wir können miterleben und mitentscheiden, wie sich diese Hochkultur weiterentwickeln wird. Entweder wir machen weiter wie bisher – und wo das hin führt ist äußerst ungewiss. Oder wir integrieren endlich zusätzliche Werte wie Mitgefühl und Gerechtigkeit in gesellschaftliche und unternehmerische Entscheidungen.  

Und dafür braucht es Sie! Frauen – und auch Männer – die sich trauen, Positionen einzunehmen, in denen Sie etwas bewegen können und die sich vor allem dann auch trauen, noch Ihre persönlichen Werte einfließen zu lassen. 

Dafür brauchen wir Pippis. 

Frauen, die die Welt von der sie träumen, in die Realität holen. Die aufhören, von anderen die Erlaubnis bekommen zu wollen, sondern sich selbst die Erlaubnis geben. Die ihre Kraft ausleben, Regeln brechen, wenn sie keinen Sinn machen, und unangepasst ihren Weg gehen.

Deshalb-seien Sie Pippi, nicht Annika!  

 

Herzlichst 

Ihre Astrid Winkeler

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